Brandstifter gegen den Islam
* Der Täter von Oslo hat eine Autobombe im Regierungsviertel gezündet, um Norwegen gegen den Islam zu verteidigen
* Breivik nennt sich einen Kreuzritter gegen den Islam
* Breiviks Schrift enthält mehr als fünfzig Hinweise auf Anti-Islam Hetzer Robert Spencer, Koenraad Elst, Geert Wilders, Daniel Pipes, Henryk M. Broder Gisèle Littman und Organisationen wie Jihad Watch und Stop Islamization of America
(Übersetzt und adaptiert von Ayman Scharaf)
Am 22. Juli 2011, um 15:22 Uhr, wurde das Norwegen schockiert. Das schlimmste Massaker in Friedenszeiten hat das Land in diesem Tag erlebt. Eine Autobombe auf Basis von 950 Kilogramm ANFO (Ammoniumnitrat und Dieselöl) wurde im Regierungsviertel von Oslo gezündet, bei deren Explosion acht Menschen ums Leben kamen. Kurz danach fuhr der Täter auf die Insel Utøya und richtete unter den Teilnehmern eines Jugendlagers der regierenden Arbeiterpartei ein Massaker mit 69 Toten an.
Der Täter von Oslo, Anders Behring Breivik (13. Februar 1979 in Oslo geboren), war nicht ein Verrückter, sondern ein christlicher Fundamentalist mit engen Kontakten zur rechtsradikalen Szene, der sich als Held sieht. Er nennt sich auch einen Kreuzritter gegen den Islam. Manche Beobachter fanden, dass er da auch ein bisschen von einer Medienberichterstattung, die doch sehr in Richtung Islamhetze geht, beeinflusst ist. Als die Polizei auf der in einem See nordwestlich von Oslo gelegenen Insel eintraf, ließ er sich ohne Widerstand festnehmen.
Als Motiv für die Anschläge gab der zum Tatzeitpunkt 33-jährige Mann an, Norwegen gegen den Islam und den „Kulturmarxismus“ verteidigen zu wollen. Er lehne einen Multikulturalismus ab und habe die regierenden Sozialdemokraten „so hart wie möglich“ treffen wollen, da sie zum „Massenimport von Moslems“ nach Norwegen stark beigetragen hätten.
Bei einer Rekonstruktion des Tatherganges drei Wochen nach den Anschlägen hat Breivik gut mit den Polizeibeamten zusammengearbeitet, aber keine Reue gezeigt habe.
Gut ist dass, Breivik vom Osloer Amtsgericht am 24. August 2012 wegen Mordes an 77 Menschen zu 21 Jahren Haft mit anschließender Sicherungsverwahrung verurteilt wurde. Aber gefährlich ist, was Breivik unter dem Pseudonym Andrew Berwick einen über 1500-seitigen Text mit dem Titel (Eine Europäische Unabhängigkeitserklärung) zusammen stellte und ihn kurz vor den Anschlägen an 1003 E-Mail-Empfänger versandte. In der auf Englisch verfassten Schrift, deren Titelseite das Kreuz des Templerordens zeigt, ist von einer Bedrohung Europas durch „Multikulturalisten, Kulturmarxisten und kapitalistische Globalisten“ zu lesen. Den Begriff Kulturmarxismus, den er oft synonym für den Multikulturalismus verwendet, stellt er dabei drei sogenannten „Hassideologien“ an die Seite, die zu bekämpfen seien: den Nationalsozialismus („anti-jüdisch“), den Kommunismus („anti-individuell“) und den Islam.
Breiviks Schrift enthält auch ein in Tagebuchform geführtes Protokoll über die Vorbereitung der Anschläge. In das Pamphlet wurden mehrfach Passagen aus dem Unabomber-Manifest (1995) des US-amerikanischen Bombenlegers Ted Kaczynski einkopiert und dabei die Bezeichnungen „Linke“ durch „Kulturmarxisten“ sowie „Schwarze“ durch „Moslems“ ersetzt.
Der Titel des Pamphlets bezieht sich auf die Schlacht am Kahlenberg 1683 und die Amerikanische Unabhängigkeitserklärung. Die Einleitung mit der Definition des „Kulturmarxismus“ ist wörtlich aus dem 2005 von William Sturgiss Lind herausgegebenen Text „Political Correctness: A Short History of an Ideology“ der konservativen Denkfabrik Free Congress Foundation übernommen. Die von Medien als „Manifest“ bezeichnete Schrift besteht auch in weiteren Teilen aus einer Zusammenstellung fremder Texte von politisch konservativen, rechtspopulistischen und islamfeindlichen Webseiten. So verwendete der Autor in großem Umfang Texte des norwegischen Bloggers Fjordman, den er als seinen „Lieblingsschriftsteller“ bezeichnet. Mehr als fünfzig Hinweise gibt er auf den Religionswissenschaftler Robert Spencer, der Organisationen wie Jihad Watch und Stop Islamization of America ins Leben rief. Häufig bezieht er sich außerdem auf den von Gisèle Littman geprägten Begriff eines ihrer Ansicht nach drohenden „Eurabia“. Des Weiteren bezieht er sich auf Koenraad Elst, Geert Wilders, Daniel Pipes und Henryk M. Broder.
Wenige Stunden vor den Anschlägen stellte Breivik ein etwa zwölf Minuten langes Video mit dem Titel Knights Templar 2083 ins Internet. Breivik bezeichnet sich im Video und in seiner schriftlichen Erklärung als hochstehendes Mitglied (Commander) einer angeblichen Nachfolgeorganisation der Tempelritter, die 2002 in London gegründet worden sei. Er bezieht sich auf das Ende der Belagerung Wiens (1683, also 400 Jahre vor 2083) durch das Osmanische Reich sowie auf historische Gestalten aus der Reconquista und den Kreuzzügen, die er als Vorkämpfer gegen den Islam begreift: „Wir schauen darauf, was unsere Vorväter taten und stellen fest, dass wir Europa nur retten können, wenn wir die Prinzipien unserer Vorfahren annehmen. Vorwärts, christliche Kämpfer!“
Sein Bezug auf das Christentum ist hierbei jedoch nicht religiös, sondern kulturell motiviert. In seinem Manifest bezeichnet sich Breivik selbst als „Kultur-Christ“, nicht „allzu religiös“ und gibt an, keine zwangsläufige persönliche Bindung zu Gott und Jesus Christus zu haben.
Sowohl im „Manifest“ als auch im Video kündigt Breivik eine im Jahr 2083 abgeschlossene „konservative Revolution“ an, die die multikulturellen Eliten besiegen und den Islam verbannen werde. Um diese „Revolution“ durchführen zu können, fordert Breivik die Bildung einer weltweit möglichst breiten Front gegen den Islam, indem sich die Westliche Welt mit radikalen Zionisten in Israel, Hindu-Nationalisten in Indien und Buddhisten in China verbünden solle. Für die Vertreibung der Moslems aus dem Westen nennt er die umstrittenen Beneš-Dekrete als Vorbild: Der Westen solle mit den Moslems so verfahren wie die Tschechoslowakei mit den Sudetendeutschen nach dem Zweiten Weltkrieg. Als wesentliche Elemente der kulturkonservativen Ideologie Breiviks sind der Monokulturalismus, die Wiedereinsetzung der Kernfamilie, die freie Marktwirtschaft, die Unterstützung Israels und der Ostkirchen sowie das Eintreten für ein kulturell verstandenes Christentum identifiziert worden. Am Ende der Revolution kenne, so Breivik, die Frau unter der Ägide des restituierten Patriarchats wieder „ihren Platz in der Gesellschaft“. Der Feminismus habe dazu beigetragen, dass die „Machtbalance“ zwischen Männern und Frauen erodiert sei; 60 bis 70 Prozent der zu bekämpfenden Kulturmarxisten seien Frauen.